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Standardisierter Datenaustausch von PLT-Stellen zwischen Werkzeugen der Anlagenplanung und der Leittechnik
Vorgehensweise
Standardisierung reift nur durch Rückfluss von Erfahrungen aus der praktischen Anwendung. Werkzeughersteller warten jedoch aus Kostengründen typischerweise erst auf einen gereiften Standard, bevor sie ihre Software mit Ex- und Importern ausstatten. Die Rückführungen der praktischen Erfahrungen in die Standardisierung sowie die notwendigen Implementierungen der Hersteller sind gestört, die Standardisierung befindet sich in einem Deadlock. Daher ist ein „Weltmodell“ für alle Engineering-Daten bis heute nicht gelungen.
Anstatt die klassische Standardisierung eines „Weltmodells des Engineerings“ zu starten und abzuwarten, hat der GMA-Fachausschuss 6.16 „Integriertes Engineering in der Prozessleittechnik“ seit Januar 2014 eine agile Standardisierungsmethodik verfolgt, die auf den folgenden Anforderungen basiert:
- „Nur benötigte Daten übertragen“: Im GMA-FA 6.16 wird nur die PLT-Stelle betrachtet und vom Datenmodell bis zur Implementierung in Werkzeuge umgesetzt. Dieser „Durchstich“ soll die Effizienz der Standarisierungsmethode nachweisen und für PLT-Stellen sogleich nutzbar sein.
- „Schrittweise Standardisierung“: Die schrittweise Standardisierung erfolgt dadurch, dass zunächst nur die PLT-Stelle betrachtet und in den Datenaustausch eingebracht wird. Später können weitere Artefakte folgen. Schrittweise werden so proprietäre Datenmodelle durch Standards ersetzt. Jeder Schritt ist nutzbar und sinnvoll.
- „Orientierung am Objekt“: Die Datenmodellierung erfolgt in einem Klassenmodell. Der genaue Aufbau des Objektes PLT-Stelle mit seinen Attributen ist im Abschnitt Modell zu finden.
- „Neutrale und private Daten gemeinsam übertragen“: Im GMA-FA 6.16 wurde entschieden, ein Datenformat zu wählen, bei dem neutrale (standardisierte) und private (nicht standardisierte) Daten gemeinsam in einer Datei übertragen werden können. Die privaten Daten können (optional) vom Empfänger projektspezifisch interpretiert werden.
- „Vorhandene Standardisierungsansätze nutzen“: Der GMA-FA 6.16 hat eine Reihe verfügbarer Ansätze für die Modellierung von Daten verglichen. Im Ergebnis wurde als Datenformat AutomationML [9], [10] ausgewählt. Die Inhalte des Datenmodells werden maßgeblich durch die Attribute der NE 150 geprägt. Im Ergebnis wurde eine Klassenbibliothek für die PLT-Stelle in AutomationML entwickelt. Alternativen wie reines XML, XMPlant oder OWL gemäß ISO 15926 wurden aufgrund praktischer Erwägungen der Zielvorgabe (10 Monate) verworfen.
- „Agiler und gemeinsamer Standardisierungsansatz“: Das große Interesse sowohl von Herstellern als auch Anwendern an dieser Initiative unterstreicht den Bedarf an Innovationen im Umfeld der Standardisierung. Im GMA-FA 6.16 arbeiten fünf CAE-Tool-Hersteller, sechs Leitsystemhersteller, fünf Anwender, drei Universitäten und zwei Verbände zusammen, so dass ein breiter Erfahrungsaustausch und Interessenkonsens gewährleistet ist
Einordnung
Die PLT-Stelle ist während des Engineerings und des Betriebs einer Anlage als Schnittstelle zwischen der Prozesssteuerung und dem eigentlichen Prozess von entscheidender Bedeutung. Sie wird im Laufe des Engineering- und Reengineering-Prozesses von verschiedenen Gewerken bearbeitet. Die verschiedenen Gewerke arbeiten mit unterschiedlichen Werkzeugen. Daher muss ein Datenaustausch zwischen den Werkzeugen durchgeführt werden können, wozu Exporter und Importer notwendig sind. Aufgrund des parallelen Arbeitens ist ein bidirektionaler Austausch notwendig.
Modell
Die Attributeliste der NE 150 war Ausgangspunkt für die Arbeit der Datenmodellierung. Diese Attribute decken die in der Praxis ausgetauschten Einträge in den „Konfi-Listen“ detailliert ab. In der NE 150 wird festgelegt, dass der Austausch mittels XML erfolgen soll. Zur Ausnutzung der Stärken von XML ist eine objektorientierte Datenmodellierung sinnvoll. Im GMA 6.16 wurden daher zunächst die benötigten Klassen festgelegt und anschließend die Attribute der NE 150 diesen Klassen zugeordnet und mit Datentypen und Einheiten versehen.
Das Bild zeigt das Ergebnis in UML-Notation: das Klassenmodell der PLT-Stelle.
- Eine PLT-Stelle umfasst häufig genau eine PLT-Funktion, sie kann aber auch einen Loop mit mehreren PLT-Funktionen umfassen. Die PLT-Funktion (IEC 62424: PCE-Kategorie) wird üblicherweise durch den Erstbuchstaben der Typicalkennzeichnung bestimmt (z.B. „F“ für Durchfluss oder „P“ für Druck). Die Auflistung der möglichen Erstbuchstaben und ihrer Bedeutung ist in der IEC 62424 enthalten.
- Jede PLT-Stelle besteht aus mindestens einer PLT-Teilfunktion (IEC 62424: PCE-Verarbeitungsfunktion). Die Teilfunktionen sind üblicherweise durch die Folgebuchstaben der Typicalkennzeichnung beschrieben. Das Datenmodell beschreibt diese mit Hilfe je einer eigenen Klasse und unterstützt im ersten Schritt die Verarbeitungsfunktionen Anzeige von Binärsignalen (IndicationBinary), Analoganzeige (IndicationAnalog), Regelung (Control), Aktor (Actuator), Aufzeichnung (Registration), Alarm (Alarm), Schaltfunktion (Switch), Manipulierung (Manipulation) und Berechnung (Calculation). Diese Klassenbibliothek ist erweiterbar.
- Weiterhin besitzt jede PLT-Funktion genau ein Software-Signal, welches das leittechnisch interpretierte Signal modelliert (z.B. den Füllstand 0..1 m). Auf dieses „Stamm-Software-Signal“ beziehen sich alle PLT-Teilfunktionen. So werden beispielsweise Schaltfunktionen beim Über- oder Unterschreiten eines definierten Werts dieses Software-Signals ausgelöst. Im Regelfall ist diesem Software-Signal genau ein Hardware-Signal (z.B. 4..20 mA) zugeordnet, wodurch die Umsetzung von 4..20 mA zu 0..1 m definiert wird. Es sind jedoch auch PLT-Funktionen mit mehreren oder keinen Hardwaresignalen denkbar, z.B. bei Redundanzen und Soft-Sensoren. Einige Teilfunktionen besitzen ihrerseits Software- und Hardware-Signale, beispielsweise für Schaltungen oder Reglerausgänge.
Der Hauptvorteil dieser Modellierung besteht darin, dass alle Teilfunktionen nicht implizit durch eine Buchstabenfolge definiert werden, sondern durch eigene Klassen repräsentiert sind. Attribute der PLT-Teilfunktionen sind an diese Klassen gebunden. Reglerparameter finden sich beispielsweise exakt an der Regler-Teilfunktion wieder. Das erleichtert die Interpretation und das Navigieren zwischen den Daten.
Implementierung
Die Modellierung in AutomationML/CAEX erfolgte im Gremium mit Hilfe des AutomationML Editors. Dazu wurde eine AML-Klassenbibliothek angelegt und die benötigten Klassen erzeugt, um das Modell der PLT-Stelle entsprechend abzubilden. Anschließend wurden die Attribute der NE 150 in die erzeugten Klassen eingetragen. Die UML-Klassen PLT-Stelle (PCE), PLT-Funktion (PCEFunction) und PLT-Teilfunktion (PCEPartialFunktion) sind in dieser AML-Bibliothek modelliert. Der UML-Klasse PLT-Teilfunktion und ihre Ausprägungen sind als Kind-Elemente untergeordnet. An diesen Klassen sind die zugehörigen Attribute hinterlegt, die zu deren Beschreibung notwendig sind. Zum Beispiel sind Attribute der Regelparameter in der Klasse Control eingegliedert. Um die Signale einer PLT-Stelle zu modellieren, wurden die Schnittstellen als InterfaceClass in dem Modell angelegt. Diese werden gemäß PLT-Stellenmodell in Software- und Hardwaresignal unterschieden. Auch diese tragen die entsprechenden Attribute zu ihrer Beschreibung.
Das Modell im praktischen Einsatz
Das im Rahmen der Arbeit des GMA FA 6.16 erstellte Datenmodell einer PLT-Stelle wurde durch verschiedene Hersteller erfolgreich implementiert. Auf der NAMUR Hauptsitzung im November 2014 ist der Datenaustausch zwischen den CAE-Systemen von Aucotec (Engineering Base), ESP (ESPlan), Rösberg (ProDok) und Siemens (COMOS) und den Leitsystemen von ABB (800xA), Siemens (PCS 7) und Yokogawa (Centum VP) erfolgreich vorgestellt.
Weitere Informationen
Für weitere Informationen kontaktieren Sie bitte Andreas Schüller .
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